Management

„Man muss an die Arbeitsleistung denken“

Der Trend zum Großraumbüro ist ungebremst. Doch insbesondere die hohe Lautstärke stellt hohe Anforderungen an die Büroeinrichtung.

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von Regiomanager 01.03.2017
Das Großraumbüro: Arbeiten wie die Hühner auf der Stange (© zhu difeng – stock.adobe.com)

Der
Trend zu Großraumbüros ist ungebremst. Doch die Meinungen über Vor- und
Nachteile gehen weit auseinander. Welche Auswirkungen und Folgen haben
Großraumbüros auf die Menschen, die dort arbeiten? Die Kritiker der
großen Büros verweisen vor allem auf den Lärm, der die Gesundheit
beeinträchtigen und Stress auslösen kann. „Wirklich verlässliche
umfangreiche Gesamtstudien stehen uns nicht zur Verfügung“, erklärt Dr.
med. Wolfgang Panter. Der Präsident des Verbandes Deutscher Betriebs-
und Werksärzte (VDBW) kennt die wirtschaftlichen Zwänge von Unternehmen:
„Büroraum ist teuer.“ Doch der Mediziner verteufelt Großraumbüros
nicht. Er weist aber auf die Zusammenhänge von Lärm auf Arbeitsleistung
und Konzentration hin. „Hohe intellektuelle Leistungen und ein hoher
Lärmpegel schließen sich aus“, warnt der Verbandspräsident.
„Arbeitgeber, die in gute schalldämmende Maßnahmen investieren, erhalten
oder erhöhen die Konzentration und damit die Arbeitsleistung ihrer
Mitarbeiter.“ Dr. med. Panter rät, den Lärmpegel auf 55 dbA zu
begrenzen. Das gelte auch für Callcenter, deren Mitarbeiter hoch
konzentriert mit Kunden telefonieren. Steigt der Lärmpegel in
Großraumbüros an, sprächen die Mitarbeiter automatisch lauter. „Das ist
für das Gegenüber nicht angenehm“, so der Verbandspräsident und verweist
auch auf das Telekommunikationsgesetz. „Wird zu laut telefoniert,
könnte der Gesprächspartner des Kollegen mithören.“ Allerdings gebe es
noch weitere Dinge zu beachten. Die normale Bürotemperatur liegt
zwischen 21 und 22 Grad. „Dem Konflikt zwischen kalt und warm kann man
zumindest im Sommer durch Kühldecken begegnen. Die eingebauten
Wasserohre in der Decke führen die Wärme über den Hitzequellen wie
Computer und andere elektronische Geräte gezielt ab. Das funktioniert
aber nur, wenn die Deckenhöhe ausreicht.“ Diese moderne Lüftungsart
nennt der Verbandspräsident ökonomisch wie ökologisch sinnvoll. Im
Wegfall von Zugluft sieht er einen weiteren Vorteil. Einen Extraraum
empfiehlt der Mediziner für Drucker. Damit falle nicht nur die
Dauerbelastung durch Tonerausdünstungen weg. „Wer etwas ausdruckt,
bewegt sich oder überlegt, ob es wirklich nötig ist, Papier zu nutzen.“

Lärm mindert Arbeitsleistung

Nicht
nur für den Präsidenten des Verbandes Deutscher Betriebs- und
Werksärzte (VDBW) ist der Zusammenhang zwischen Lärm in Großraumbüros
und Arbeitsleistung unstrittig. Überall dort, wo hohe Konzentration,
Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistungen gefordert sind, schadet Lärm.
Die Auswirkungen zeigen sich unterschiedlich. In Callcentern, bei
Lehrtätigkeiten oder Gruppenarbeiten kann es zur Störung der
sprachlichen Kommunikation führen. Kommen Hitze im Sommer, Kälte im
Winter, Zugluft sowie Zeitdruck hinzu, steigen die Stresshormone im
Blutkreislauf an, und die Blutgefäße verengen sich. Die Folge können
vermehrte Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie des
Verdauungssystems sein. „Für Büroarbeitsplätze gilt, dass der
Zusammenhang zwischen Sprachverständlichkeit und Leistung sowie
psychischem Befinden als belastbar angesehen werden kann“, heißt es auch
abschließend in der Publikation „Psychische Gesundheit in der
Arbeitswelt – Lärm“ (1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2016, S 77). Die Autoren, Dr. Andreas
Liebl und Maria Kittel vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP,
erforschten die Literatur über Lärm und seine Auswirkungen in den
verschiedensten Arbeitsbereichen. Sie werteten dafür die relevantesten
Publikationen der vergangenen Jahre aus. Einige Trends kristallisierten
sich dabei heraus: Wer heute Großraumbüros plant, muss neue Konzepte
entwickeln, um Lärm nicht nur unter Echtzeitbedingungen zu messen,
sondern ihn auch wirksam zu vermindern. Die Autoren stoßen dabei auf ein
generelles Dilemma: Es fehlen entsprechende Schutzvorschriften, die
alle Lärmquellen gleichermaßen berücksichtigen. Die gibt es nicht, weil
relevante Messgrößen fehlen, die auf die jeweilige Branche zugeschnitten
sind. Es fehlen „Konzepte zur Beurteilung von Lärm sowie Maßnahmen zur
akustischen Gestaltung von Arbeitssystemen, die die Arbeitstätigkeit und
die jeweiligen Arbeitsumgebungen berücksichtigen“, so die Autoren.
Heute „werden zur Beschreibung der Qualität eines Arbeitsplatzes
technische Beurteilungsgrößen herangezogen. Im Fall von Büroumgebungen
sind dies bspw. die räumliche Abklingrate von Sprache (D2,S), der
A-bewertete Schalldruckpegel von Sprache in einem Abstand von 4 Metern
(Lp,A,S,4m), die Nachhallzeit (T) und das bauseitige Grundgeräusch
(LNA,Bau)“.

Spezielle Einrichtung erforderlich

Die
durchaus messbare Sprachverständlichkeit, die bei hoher Lärmbelastung
abnimmt, spielt als Planungsgröße in aktuellen Richtlinien keine Rolle.
Die konkrete Belastung durch sprachlichen Hintergrundschall wird
außerdem bei der Beurteilung der Qualität von Arbeitsplätzen bisher gar
nicht erfasst, „da Messungen häufig im unbesetzten Zustand stattfinden“.
Mit anderen Worten: Die unterschiedlich lauten Bürogespräche fließen
heute in die Bewertung und Berechnung von Lärm nicht ein. Die Autoren
weisen aber auch darauf hin, dass die daraus resultierenden Störungen
und Folgen individuell unterschiedlich empfunden werden. Und genau da
liegt ein weiteres Problem: „Aus der subjektiv empfundenen Lärmbelastung
lässt sich aber keine Planungsgröße ableiten, sodass es notwendig ist,
den Zusammenhang zwischen der subjektiv empfundenen Lärmbelastung und
physikalischen Messgrößen herzustellen.“ Ein weiteres Dilemma selbst für
willige Planer: Die Sichtung der zahlreichen Publikationen zeigt
ferner, dass auch in der Wissenschaft bei der Erforschung von Lärm und
psychischen Belastungen noch ein „erheblicher Nachholbedarf“ besteht.
Die Anzahl dieser Arbeiten sei eher gering, stellen die Forscher des
Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP fest. Ein zusätzliches Problem
sehen die Forscher in nahezu allen Arbeiten darin, dass bei den
Lärmuntersuchungen studentische Probanden eingesetzt wurden. Doch die
stellen hinsichtlich Alter und kognitiver Fähigkeiten nicht den
Durchschnitt der Bevölkerung dar. Wer als Unternehmer derzeit ein
Großraumbüro plant, sollte zumindest den Planer bitten, die
Geräuschentwicklung zusätzlich auch unter den benannten Kriterien zu
betrachten und bei der Lärmdämmung eine Schippe draufzulegen. Denn
Arbeitsmediziner Dr. Panter rät nicht umsonst: „Arbeitgeber, die in gute
schalldämmende Maßnahmen investieren, erhalten oder erhöhen die
Konzentration und damit die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter.“

Dirk Heuer | redaktion@niederrhein-manager.de

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